Ein guter Ort, um mich in liebevoller Achtsamkeit zu üben, war und ist für mich immer die freie und lebendige Natur. Speziell Wälder, Berge und Seen besitzen eine einzigartige Energie oder Aura, die etwas mit mir macht und mich auf eindrucksvolle Weise bis in die Tiefe meiner Seele berührt. Ulrike und ich laden Dich herzlich dazu ein, uns an einen solchen Ort zu begleiten.
Dass hier alles eine Spur wilder ist und die Natur sich frei entfalten darf, merken wir bereits, nachdem wir vom Parkplatz an der Schwarzwaldhochstraße direkt in den schattigen Fichtenwald treten. Im wahrsten Sinne des Wortes über Stock und Stein führt uns ein uriger schmaler Pfad teils recht steil den Hang hinunter. Schritt für Schritt ebben die Geräusche von der Straße immer mehr ab und eine wohltuende Stille umfängt uns. Um zwischen den vielen Wurzeln und Felsen sicher zu gehen, richten wir unsere ganze Aufmerksamkeit darauf, wohin wir treten. So bringen diese himmlische Ruhe und der anspruchsvolle Weg uns schnell in die richtige Stimmung für einen achtsamen Tag.
Wir lassen uns viel Zeit und bleiben immer wieder stehen, um uns die schroff über uns aufsteigende und unter uns an einigen Stellen fast senkrecht abfallende Karwand genauer anzusehen. Sie ist übersät mit Blaubeerkraut, das mit seinem hell im Sonnenlicht leuchtenden satten Grün einen schönen Kontrast zu den dunkel aufragenden Fichten bietet. Dazwischen immer wieder umgestürzte Bäume mit ihren riesigen Wurzeltellern, Geröllhalden, Moose, Farne und vieles mehr. An einigen lichtdurchfluteten freien Flächen finden wir die ersten Wald-Witwenblumen, die den nahen Sommer ankündigen. Fröhlich gaukeln ein paar Tagpfauenaugen und Perlmuttfalter von Blüte zu Blüte. Langsam und vorsichtig gehen wir weiter, bis der naturbelassene Steig endlich einfacher begehbar wird. Die dort angelegten mächtigen Trittstufen sind eine willkommene Hilfe. Nach einem relativ kurzen – wenn auch etwas abenteuerlichen – Abstieg erreichen wir schließlich unser heutiges Ziel, den Buhlbachsee.
Ruhig und ein wenig verträumt liegt der Karsee vor uns in einer vor Urzeiten von Gletschern ausgehobelten, fast kreisrunden Mulde. Mitten in diesem von allen Seiten geschützten Weiher schwimmt eine Moorinsel, die sich mit den weißen Schöpfen der Wollgräser und den hellen Birkenstämmen malerisch von der dunklen, fichtenbewachsenen Karwand abhebt. Sie erstrahlt im Glanz des Sonnenlichts, spiegelt sich auf der fast schwarzen Wasseroberfläche und bietet so einen einmalig schönen Anblick, der unser Herz höher schlagen lässt. Es ist eine ganz besondere Atmosphäre, die hier herrscht und die uns verzaubert.
Als wir uns dem Ufer nähern, entdecken wir eine Schar süßer Stockentenküken, die unter Aufsicht ihrer Mutter ihre Kinderstube erkunden. Ein Tisch und Bänke laden uns zu einer entspannten und ausgiebigen Rast ein. Es ist ein wunderschöner, klarer Tag. Das Wetter ist fantastisch, die Temperatur genau richtig. Wir lieben diese Spätfrühlingstage. Und wir verlieben uns auf Anhieb in dieses schöne Fleckchen Erde. Hier fühlen wir uns rundum wohl und genießen an dem sonnenverwöhnten Platz unser Vesper und den Traumblick über den idyllisch gelegenen See. Während Ulrike sich nach dem Essen auf der noch recht neuen Holzbank ausstreckt und ein kleines Nickerchen macht, schaue ich mich ein wenig um und erkunde die Umgebung, die mich geradezu dazu einlädt, einfach nur da zu sein und zu beobachten. Ich habe alle Zeit der Welt, und die nehme ich mir auch. Ich liebe solche Mußestunden und genieße sie – und das fällt mir mit jedem Mal leichter. Mal sehen, was ich hier und jetzt entdecken kann.
Neben der Sitzgruppe liegt eine umgestürzte Linde quer über dem Weg. Im Vorbeigehen streiche ich über ihre knorrige Rinde. Dabei habe ich das Gefühl, als würde der alte Baum mich begrüßen. Ich lege mich für einen Moment auf den Stamm und lausche. Ganz leise höre ich eine Stimme aus seinem Innern (oder kommt sie aus meinem Innern?). Sie flüstert mir zu: „Das Leben geht immer weiter, in welcher Form auch immer. Einst stand ich stolz hier am Wasser, jetzt biete ich Nahrung und ein Zuhause für viele Wesen. Und auch das wird vorübergehen. Dann entsteht etwas Neues … etwas Neues … etwas Neues …“ Die Worte verklingen und lassen mich mit einem starken Gefühl der Zuversicht zurück. [Bäume sind übrigens sehr weise und können uns viel erzählen. Besonders schön hat das Stefan Hertrich auf seinen CDs Wenn der Wald spricht – Teil 1 und Teil 2 umgesetzt.] Ameisen wuseln über die raue Borke, als wollten sie die Sätze der gefallenen Linde bestätigen. Ich stehe wieder auf und überlasse den kleinen fleißigen Krabbeltieren den Platz, den sie schnell einnehmen. Ich selbst habe ein anderes Tempo. Hinter dem Baum befindet sich eine kleine Staumauer, an der der Buchbach aus dem See abfließt und leise vor sich hin plätschert. Ein alter Baustumpf mit frei liegender Wurzel fällt mir hier besonders auf. An dieser Stelle ist der Weg gesperrt und ich gehe zurück.
Langsam schlendere ich ein Stück einen breiten Forstweg entlang und setze einen Schritt nach dem anderen, achtsam, bedächtig, aufmerksam. Links von mir zieht sich der Mischwald den Hang hinauf. Jetzt im späten Frühjahr zeigt er noch viele verschiedene Grüntöne. Ich liebe das! Sanft streicht der Wind durch die Bäume und die von der Sonne beschienenen mächtigen alten Fichten verströmen einen warmen, frisch-würzigen Duft nach Nadeln und Harz. Dazwischen stehen einige Laubbäume und Sträucher. Das Blätterdach über mir leuchtet in einem wundervollen hellen Grün und raschelt leise in der sanften Brise, die auch ganz leicht mit meinen Haaren spielt und meine Haut streichelt. Vögel zwitschern munter über mir in den Baumwipfeln. Langsam und genussvoll gehe ich in einem für mich angenehmen Tempo und höre meine Schritte, das leichte Knirschen der Steinchen unter meinen Sohlen. Ich spüre den festen Boden unter mir. So gehe ich noch eine Weile weiter. An mehreren Stellen haben die Forstarbeiter Lücken in den Uferbewuchs geschlagen und diesen Bereich für Besucher etwas befestigt. Hier bieten sich prächtige Ausblicke und Einblicke.
Als ich die Böschung betrete, wird der Boden weicher und federnder. Ein kleiner Ast knackt unter meinem Fuß. In mir wächst der Wunsch, mich hier für einen Moment niederzulassen. Mein Blick fällt auf weiche, smaragdgrüne Mooskissen, die einladend in der angenehm wärmenden Sonne glänzen. Der Platz ist von ein paar Bonsai-Fichten gesäumt, an deren jungen Trieben noch das frische Grün des Frühlings leuchtet. Ich probiere einige der Nadelpolster. Ganz ehrlich, in Honig schmecken sie mir besser. 😉 Dann lehne ich mich an den Stamm einer kleinen Moorbirke. Er schenkt mir Geborgenheit, gibt mir Halt und stärkt mir den Rücken. Hier fühle ich mich pudelwohl und sicher. Alles ist so, wie ich es mag. Die Sonne wärmt meine Haut. Von hier habe ich einen herrlichen Blick auf den von Wald umrahmten See. Ich setze mich gemütlich hin, rücke mich noch etwas zurecht, bis alles ganz bequem ist. Dann schließe ich die Augen, nehme drei tiefe Atemzüge, und komme vollständig zur Ruhe.
In meiner Vorstellung schlage ich Wurzeln und bin tief verbunden mit diesem Stückchen Erde, auf dem ich sitze. Ich fühle mich geerdet. Bewusst spüre ich in meinen Körper hinein, nehme wahr, wie mein Atem ein- und ausströmt und erlaube mir, einfach da zu sein und alles loszulassen. Nach und nach lösen sich alle meine Muskeln. Vor allem die Beine freuen sich nach dem hinter ihnen liegenden Abstieg über diese Pause und lassen locker. Mein Gesicht wird ganz weich. Ein leichtes Lächeln legt sich auf meine Lippen. Mein satter Bauch ist wohlig warm. Auch meine Hände lösen sich und lassen los. Mein Atem wird immer ruhiger, er geht jetzt gaaaaaanz langsam und von selbst. Ich lasse ihn einfach fließen. Auch mein Herz schlägt gleichmäßiger. Dies ist jetzt meine Zeit! Alles darf sein, wie es jetzt gerade ist. Auch ich darf sein, wie ich jetzt gerade bin. Ich spüre den Boden unter mir, wie er mich trägt, spüre meinen Atem, wie er beständig ein- und ausfließt. RUHE. Ich spüre die Urkraft der Erde. Die Sonne versorgt mich mit Energie und nährt mich. Atemzug für Atemzug fülle ich meine Lungen mit der gesunden Waldluft und fühle mich erfrischt und lebendig. Immer deutlicher spüre ich die Kraft dieses Ortes. Jede Zelle meines Körpers ist glücklich! [Kennt noch jemand dieses Lied?] Ich bin jetzt vollkommen entspannt und ganz im Hier und Jetzt angekommen.
Ich nehme erneut einen tiefen Atemzug, öffne langsam meine Augen, blicke mich um, und bin wieder vollständig wach und klar. Immer wieder stelle ich mir im Geiste meine Fragen an den Augenblick: Was sehe ich? Was kann ich gerade hören? Was rieche ich? Was fühle ich? … Und mit jeder Frage öffnen sich meine Sinne mehr und mehr für die vielfältigen Eindrücke. Dieser besondere Duft nach frischem Wasser steigt mir in die Nase, vermischt mit den Gerüchen nach feuchter Erde und Gras. Eine blühende Eberesche steht direkt am Ufer und breitet ihre Äste über dem See aus – auch ihr süßer Blütenduft weht zu mir herüber. Ich schaue hinauf in den Himmel. Eine langgezogene Wolke wandert im Zeitlupentempo über die Berge. Sonnenstrahlen glitzern durch die zarten Blätter der Birke. Plötzlich unterbricht ein lautes Platschen die Stille und ich schaue nach der Ursache. Ein Zwergtaucher ist in den Fluten verschwunden und einige Meter weiter wieder aufgetaucht. [Erst später finde ich heraus, dass es sich hierbei um eine Seltenheit handelt. Es gibt im gesamten Nordschwarzwald nur relativ wenige Brutpaare.]. Dann entdecke ich im hohen Gras am Ufer ein paar Küken des Zwergtauchers. Das Ganze war also ein geschicktes Ablenkungsmanöver, um seinen Nachwuchs vor mir zu schützen. Der Forscher in mir freut sich.
Auch ich tauche – und zwar tief hinein in all diese Wahrnehmungen. Ich werde immer ruhiger und lasse mich auf alles ein, was in mir und um mich herum geschieht. Ich lasse meinen Blick ein wenig herumschweifen. Immer mehr kleine Tiere tauchen auf. Ob sie meinen tief entspannten Zustand spüren können? Ganz sicher! Ich weiß, dass es so ist und nehme bewusst Kontakt zu ihnen auf, stelle eine enge Verbindung zu all diesen mir nun so nahen Lebewesen her. Und ich habe wirklich den Eindruck, dass sie mich wohlwollend betrachten und annehmen. Mein Bewusstsein dehnt sich immer weiter aus. Mein Blick wird klarer, meine Ohren hellhöriger, meine Nase empfänglicher, mein Geist offener und meine Seele freier und leichter. Zuallererst fallen mir verschiedene Arten von großen und kleinen Libellen auf. Stabförmige azurblaue Federlibellen feiern Hochzeit und bilden dabei merkwürdige Gespanne. Ein älteres Männchen der Moosjungfer sonnt sich auf einem trockenen Schilfhalm. Auf einem Blatt sitzt eine nachtblaue Prachtlibelle. Auch einige kleine Blaupfeile schwirren immer wieder um mich herum. Ich spüre einen Lufthauch auf meinen Armen und im Gesicht. Für einige Augenblicke kräuselt ein Windstoß die Wasseroberfläche, die Wellen funkeln kurz in der Sonne, dann liegt der See wieder ruhig da. Auch hier – wie schon oben am Pfad – besucht mich nun wieder ein Schmetterling – diesmal das Schachbrett. Er dreht sich auf der Blüte und zeigt sich mir von allen Seiten.
Neben der Insel im See vergnügt sich ein Stockentenpärchen bei einem Schäferstündchen. Danach baden und putzen sich die beiden wie wild. Staunend betrachte ich dieses Naturschauspiel. Machen Enten das immer so? Ich weiß es nicht. Die bei meiner Ankunft mit großen Sprüngen geflüchteten Wasserfrösche gewinnen allmählich Vertrauen und tauchen nach und nach wieder auf. Eine Ringelnatter streckt ihren Kopf aus dem Wasser. Eine Honigwespe sammelt den Pollen von einer Blüte. Ein Grashüpfer hockt auf einer Margerite. Wasserläufer nutzen die Oberflächenspannung und scheinen zu schweben. Neben meinem Platz wächst eine Teufelskralle, die eine Hummel anlockt. Der Löwenzahn ist verblüht. Ich pflücke einen Stengel und puste die Samen in die Luft. Sie fliegen mit dem Wind davon. – All diese so unterschiedlichen und dabei doch irgendwie verwandten Pflanzen und Tiere nehmen mich in ihren Kreis auf. Ich spüre die tiefe Verbundenheit mit allem und jedem. Und wieder einmal wird mir deutlich bewusst, dass ich ein Teil der Natur bin, ein wichtiger und doch kleiner Teil einer großen, allumfassenden Familie. Was für ein schönes Gefühl! Und ich spüre, dass ich dem Leben vertrauen kann. Ich bin zutiefst dankbar für diese Erfahrung. Und da ist noch etwas, das ich jetzt ganz stark empfinde, und für das es nur ein Wort gibt: LIEBE! Dieses Gefühl, diese Energie, dieses Bewusstsein erfasst mein ganzes Wesen.
Irgendwann sagt mir meine innere Uhr, dass es an der Zeit ist, wieder zurückzugehen. Ich nehme noch einmal einen tiefen Atemzug, recke und strecke mich etwas, erhebe mich behutsam, klopfe ein bisschen meine Kleidung ab, bedanke mich mit einer leichten Verbeugung bei „meinem“ Platz, verabschiede mich, drehe mich um und mache mich auf den Rückweg. Ich nehme viel mit! Dieser kleine Spaziergang und das Verweilen am See mit all seinen kleinen und großen Wundern haben mir sehr gutgetan. Ich bin hellwach und total entspannt. Ich fühle mich soooo erholt und inspiriert wie nach einem ausgiebigen Schlaf mit schönen Träumen. Ich spüre wieder meinen natürlichen Rhythmus und habe auch wieder deutlich mehr Bodenhaftung. Ich fühle mich ausgeglichen, kraftvoll und in meiner Mitte. Und auch mein Herz hat sich wieder ein ganzes Stück mehr geöffnet. Es waren wieder einmal ganz besondere Augenblicke. Ich bin beeindruckt und fühle mich reich beschenkt. Mit immer noch gemächlichen Schritten gehe ich wieder hinüber zu Ulrike, die sich gerade aufrichtet, als ich bei ihr ankomme. Freudig begrüßt sie mich.
Ich berichte ihr von meinen Erlebnissen und gemeinsam sitzen wir noch längere Zeit auf der Bank und genießen den Blick und die Stille. Bevor wir unseren Weg fortsetzen einigen wir uns schon darauf, dass dieser herrlich abgelegene, ruhige und idyllische Bilderbuchsee ganz oben auf die Liste mit unseren Lieblingsplätzen gehört. Wir kommen wieder!
Dieser Erfahrungsbericht ist Teil des kostenlosen Jahreskurses „Dein Weg zu einem gesunden Selbstwertgefühl“. Er ergänzt den 3. Schritt dieses Programms: Achte auf Deine Wahrnehmungen!
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