

Ich liebe die abendliche Stille hier in Ringsheim, wenn die Stimmen des Tages verstummen. Wie eine zärtliche Umarmung hüllt sie mich ein. Es ist eine einladende Stille. Bleib ein wenig hier, sagt sie, freue dich, dass wir zusammen sind. Schweigend setze ich mich. Dankbaren Herzens nehme ich diese Stille tief in mich auf. In ihr finde ich Frieden und sie gibt mir Kraft. Sie ist geduldig, ehrfürchtig und voller Würde.
Die Stille, die innere Ruhe, die mich erfasst, wenn alles erledigt ist, wenn wirklich Ordnung in der Seele und im Geist herrscht, ist einfach wunderbar. Es ist ein innerliches Verschnaufen. Ja, ich liebe diese Stille und ich glaube, dass ich sie so nötig habe wie Essen und Trinken.
Der Ausspruch „Stille Wasser sind tief“ trifft sicher auf mich zu. Ich war immer einer von den ruhigen, leisen, bescheidenen Menschen. Heute bin ich froh darüber. Thomas Carlyle schrieb: „Stille ist das Element, in dem sich Großes formt.“ Für mich ist die Stille der Ort, an dem ich am ehesten spüre, wer ich bin, was ich brauche und welche Wege für mich sinnvoll sein könnten. In der Stille erschließt sich mir meine innere Welt. Jetzt liegt meine Seele da wie ein ruhiger See, in dessen glatter Oberfläche ich mich erkennen kann. Die Stille ist es, in der alles klar wird. Doch wo finde ich sie?
Auch wenn Stille heute etwas Rares geworden ist, kann sie bei den verschiedensten Gelegenheiten eintreten. Viele Wege führen in die Stille und es gibt unzählige Momente der Stille im Verlauf der 24 Tag- und Nachtstunden. Sie schaffen Raum zum Aufatmen und zum Stillvergnügtsein. Meist hilft mir das Gehen, der Spaziergang, die Wanderung hinaus in die Natur. Im Rhythmus meiner eigenen Schritte gebe ich mir genügend Zeit, mich der Stille langsam zu nähern. Oft treffe ich die Stille auch zum Tee. Ihre Lieblingszeit ist die Dämmerung. Und wenn ich der Stillere bin, kann ich sie auch hören.
Und nicht zuletzt nachts im Bett. Der Ort schläft. Kaum ein Laut ist zu hören. Diese Stille ist schon so laut, dass ich sie hören kann.
Bei diesen Beschreibungen fällt auf, dass Stille mehr ist als die totale Abwesenheit von Tönen. Es gibt sogar Töne, die die Stille hervorheben. Stille hat also eher zu tun mit der herrschenden Atmosphäre, mit einem sorgsam und frei gewählten Umgang mit Klängen. Diese Stille strahlt ein Baum aus, einfach, wie er da steht. Ein Reh, das äst, ganz versunken darin, Nahrung aufzunehmen. Oder auch ein Kind, das mit ungeheurem Ernst seinem Spiel hingegeben ist. Aus dieser Stille, aus Wahl und Auswahl der leisen Töne kommen Glück und Freude.
Und so habe ich oft das Bedürfnis, mich zurückzuziehen ins Schweigen, in die Stille. Stille gehört zu meinem Leben wie die Nacht zum Tag, wie der Winter zum Sommer, wie das Einatmen zum Ausatmen. Sie tut gut und kann manches heilen. Das macht diese Zeiten des Friedens und der Stille sehr wertvoll. Deshalb beschließe ich wie eingangs gesagt den Tag meist auf besinnliche Weise. Ich entspanne mich bei einem Spaziergang, genieße gute Musik oder lese inspirierende Geschichten wie die folgende: